Pedro Sánchez ließ sich Zeit an diesem für ihn so wichtigen Wahlabend. Erst nach Mitternacht zeigte er sich seinen Anhängern vor der Zentrale der sozialistischen Partei PSOE in Madrid. "Wir wollen keinen Rückschritt, sondern ein Land, das nach vorn schreitet", rief der spanische Wahlsieger am frühen Montagmorgen. Hunderte Anhänger skandierten begeistert die antifaschistische Parole "No pasarán" und "Sí, se puede", den Schlachtruf der Linken: Ja, wir schaffen das.

Bei der Parlamentswahl am Sonntag haben die spanischen Sozialisten einen Triumph erzielt, an den sie vor einem Jahr wohl noch selbst nicht geglaubt hätten: Künftig werden sie 123 statt wie bisher 86 Abgeordnete im Parlament stellen. Mit 28,7 Prozent der Stimmen sind sie stärkste Partei geworden. Das Ergebnis ist das beste für die oft schon totgesagte spanische Arbeiterpartei seit zehn Jahren.

Pedro Sánchez hat alle Chancen, Ministerpräsident zu bleiben, auch wenn ihm und dem möglichen linken Koalitionspartner Podemos im Parlament noch neun Sitze zur absoluten Mehrheit fehlen. Sánchez wird mit kleineren Parteien verhandeln müssen.

Aber der Wahlkampf wird als Erfolgserzählung in die Parteigeschichte eingehen. Sánchez hatte im Juni 2018 ein Misstrauensvotum gegen den langjährigen konservativen Premier Mariano Rajoy gewonnen und er regierte seitdem in einer Minderheitsregierung. Diese nutzte er erfolgreich, um sich für die absehbaren Neuwahlen zu positionieren, die er nun gewonnen hat. Sánchez wirbt für Dialog mit der nach Unabhängigkeit strebenden Region Katalonien und präsentierte sich im Wahlkampf als Kandidat der Mäßigung für das politisch so polarisierte Spanien.

Das rechtskonservative Lager hingegen konnte von der durchaus aufgeheizten Stimmung im Land nicht profitieren. Zwar zieht erstmals eine ultrarechte und migrationsfeindliche Partei ins spanische Parlament ein – aber mit rund zehn Prozent der Wählerstimmen bleibt Vox beispielsweise hinter dem Wahlergebnis der AfD bei der Bundestagswahl.

Auch das in Spanien kontrovers diskutierte mögliche Dreierbündnis zwischen der konservativen Volkspartei, den rechtsliberalen Ciudadanos und Vox hatte am Ende des Wahlabends keine Stimmenmehrheit bekommen. Ein Rechtsruck in dem südeuropäischen Land blieb also aus.

Die Rechten dominierten die Debatte

24 Abgeordnete stellt die ultrarechte Partei Vox künftig im Parlament. Das ist trotz allem eine Zäsur für die spanische Demokratie. "Willkommen im Widerstand", rief Vox-Chef Santiago Abascal seinen Anhängern in Madrid zu. "Im Parlament werden sie ab jetzt mit uns rechnen müssen – bei der Verteidigung Spaniens, des Stierkampfs und der Osterwoche." Vox hat im Wahlkampf nicht nur die Themen gesetzt, sondern auch den Ton der politischen Debatte bestimmt. Das will sie nun wohl auch im spanischen Parlament.

Abascal inszeniert sich gern als Verteidiger der spanischen Einheit gegen Separatisten und Hüter der Traditionen. Mal stülpt sich der 43-jährige Baske einen Konquistadorenhelm über, um an Spaniens große Zeiten als Kolonialreich zu erinnern. Mal kokettiert er mit seiner Pistole der Marke Smith and Wesson, die er immer bei sich trägt, seit seine Familie auf der Todesliste der aufgelösten Terrororganisation Eta stand. In letzter Zeit verging kein Auftritt, bei dem Abascal nicht über "Separatisten", "Terroristen" und andere "Vaterlandsverräter" wetterte und "Viva España, viva el rey" (Es lebe Spanien, es lebe der König) rufen ließ.

Die stolze konservative Volkspartei hat Abascal alt und schwach aussehen lassen. Dabei war er selbst bis 2013 dort Mitglied, so wie viele heutige Vox-Kämpfer. Für die ehemalige Regierungspartei PP ist die Wahl ein Debakel. Mit nur 66 Abgeordneten halbierte sie ihre Präsenz im Parlament fast. Anders als sein als Merkel-Freund geltender Vorgänger Rajoy hatte der 36-jährige Spitzenkandidat Pablo Casado sich mit einem Rechtskurs versucht. Auch Casado wetterte auf den Wahlkampfveranstaltungen gegen Genderideologie, vermeintliche Vaterlandsverräter und illegale Migration. Doch ein neues Gesicht allein reichte offensichtlich nicht, um die Korruptionsaffären der Volkspartei vergessen zu machen.